Herr Präsident, meine Damen und Herren, der Friedensnobelpreis 2012 wurde der Europäischen Union zuerkannt. Mit dieser Auszeichnung wird der Beitrag gewürdigt, den die europäische Union über sechs Jahrzehnte zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten geleistet hat. Die Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis 2012 ist für die Europäische Union eine außergewöhnliche Ehre. Dieser Preis ist die größtmögliche Anerkennung für die politischen Grundgedanken, auf denen die Europäische Union beruht. Gleichzeitig steht die Auszeichnung auch für die beispiellosen Anstrengungen einer wachsenden Zahl europäischer Staaten mit dem Ziel, Feindschaft und Spaltung zu überwinden. Die europäischen Staaten müssen gemeinsam einen Kontinent des Friedens und Wohlstands schaffen. Es ist nicht nur eine Auszeichnung für das Projekt und die Institution, die ein gemeinsames Interesse verkörpern. Es ist auch eine Auszeichnung für die 500 Millionen Bürger der Europäischen Union. Dies haben der Präsident des Europäischen Rates und der Präsident der Europäischen Kommission in einer gemeinsamen Erklärung verdeutlicht. Meine Damen und Herren, mit Blick auf die Zukunft bekräftigten die beiden Präsidenten die anhaltenden Bestrebungen der Europäischen Union für die Förderung von Frieden und Sicherheit in unseren Nachbarregionen und weltweit. Ich wiederhole mich noch einmal: Die Europäische Union hat den Friedensnobelpreis 2012 für den Beitrag bekommen, den die Europäische Union über sechs Jahrzehnte zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa geleistet hat. In diesem Zusammenhang wurde die bedeutende Rolle der Europäischen Union betont, die mitgeholfen habe, Europa von einem Kontinent des Krieges in einen Kontinent des Friedens umzuwandeln. Die Arbeit der Europäischen Union ist eine Verbrüderung von Nationen. Meine Damen und Herren, wir müssen in diesen Tagen berücksichtigen, wie die Europäische Union entstanden ist. Sie ist entstanden aus dem Willen, verschiedene europäische Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg zusammenzubringen und in einem Friedensprojekt zu einen. Dies gelang insbesondere durch die Achtung der Menschenrechte, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Auf der Grundlage von sechs Ländern konnte die Europäische Union fast den gesamten europäischen Kontinent vereinen. Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte sind Werte, nach denen alle Menschen streben. Dies sind auch die Werte, die die Europäische Union verteidigt. Darüber hinaus leistet die Europäische Union weltweit den größten Beitrag an Entwicklungshilfe und humanitärer Hilfe. Meine Damen und Herren, die Verleihung des Friedensnobelpreises im letzten Jahr an die Europäische Union zeigt, dass sie überall in der Welt auch in diesen schwierigen Zeiten Länder und Menschen mobilisieren kann und dass die internationale Gemeinschaft eine starke Europäische Union braucht. Meine Damen und Herren, die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union hat in unserem Lande eine Diskussion über die Zukunft der Gemeinschaft ausgelöst. Der Bundestagspräsident hat davon gesprochen, aufgrund der Krise in der Europäischen Union eine Erweiterung zugunsten der notwendigen Stabilisierung zurückzustellen. Einige europäische Staaten hätten eine Beitrittsperspektive. Diese Staaten müssten die Voraussetzungen für einen Beitritt zur Europäischen Union aber noch erbringen. Im Gegensatz dazu hat die Bundeskanzlerin die nationalen und europäischen Parlamente aufgefordert, die Europäische Union weiterzuentwickeln. Die Europäische Union werde anders aussehen als die Vereinigten Staaten von Amerika. Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union und den daraus entstandenen Diskussionen um eine Erweiterung der Europäischen Union bekommt die sogenannte Erweiterungsstrategie eine besondere Bedeutung. Vor dem Hintergrund der Geschichte der Europäischen Union sowie der Krisen und Möglichkeiten in der Gemeinschaft wurde die Erweiterungsstrategie entwickelt. Diese Erweiterungsstrategie hat die Europäische Kommission im letzten Jahr dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat vorgestellt. Lassen Sie mich an dieser Stelle auf die Erweiterungsstrategie zu sprechen kommen, die auf der Erweiterung der Europäischen Union in den letzten 40 Jahren gründet. Meine Damen und Herren, durch neue Beitritte ist die Zahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Laufe der Zeit auf 27 gestiegen. Die Europäische Union hat mit ihrer Erweiterungspolitik von Anfang an dem Streben der Völker unseres Kontinents Rechnung getragen, an einem gemeinsamen Europa mitzuwirken. Auf dieser Weise wurden Völker und Kulturen zusammengebracht und die Europäische Union bereichert. Mehr als 75 % der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind ehemalige Erweiterungsländer. In einer Zeit, in der die Europäische Union vor großen Herausforderungen und großer Ungewissheit in der Welt steht, trägt die Erweiterungspolitik zu Frieden, Sicherheit und Wohlstand unseres Kontinents bei. Gleichzeitig ist eine Entwicklung zur wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Integration zu beobachten. Die Chance auf einen Beitritt ist Triebkraft für politische und wirtschaftliche Reformen. Sie verändert Gesellschaften und eröffnet Europa neue Möglichkeiten. Darüber hinaus festigt die Erweiterung die politischen und wirtschaftlichen Stärken der Europäischen Union. Wenn die Europäische Union durch ihre Erweiterungspolitik die Stärkung und Einigung gewährleistet, wird sie dauerhaft eine große Rolle spielen. Meine Damen und Herren, die letzte Erweiterungsrunde, bei der die mittel- und osteuropäischen Länder aufgenommen wurden, hat nicht nur Ost und West nach jahrzehntelanger Trennung vereint. Es wurden insbesondere umfassende Investitions- und Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen. In der Zeit zwischen Verhandlungsbeginn und Beitritt hatten sich die Ausfuhren der Europäischen Union in die Beitrittsländer mehr als verdoppelt. In dieser Zeit war ein Großteil des Wachstums der Beitrittsländer auf den Erweiterungsprozess zurückzuführen. Die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und eine demokratische Regierungsführung sind zentrale Elemente des Erweiterungsprozesses. Frühere Beitritte haben deutlich gemacht, dass dieses Thema besondere Aufmerksamkeit erreicht. Dadurch wird die Stabilität in dieser vor langer Zeit noch schwierigen Region gefestigt und konsolidiert. Gleichzeitig werden die Schaffung von Wachstum und Investitionen in Südosteuropa, die verstärkte Zusammenarbeit und die Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen unterstützt. Es werden Fragen in den Bereichen Recht, Sicherheit und Grundrechte angegangen, die für die Bürger in der Europäischen Union und in den Erweiterungsländern von besonderer Bedeutung sind. Für einige Erweiterungsländer hat der Europäische Rat seine Zustimmung zu dem von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Verhandlungskonzept für die Bereiche Recht, Freiheit und Sicherheit erteilt. Damit ist die Rechtsstaatlichkeit als Element des Beitrittsprozesses gefestigt und Maßstab für künftige Verhandlungen. Meine Damen und Herren, die derzeitigen Schwierigkeiten in der Europäischen Union haben die politischen Aufgaben in der Europäischen Union im letzten Jahr geleitet. Dies haben die Finanzkrise und die verbundenen Volkswirtschaften innerhalb der Europäischen Union deutlich gemacht. Angesichts der Herausforderungen, vor denen die Europäische Union steht, ist der weiteren Konsolidierung der wirtschaftlichen und finanziellen Stabilität und der Förderung von Reformen und Wachstum oberste Priorität einzuräumen. Dies gilt insbesondere in den Erweiterungsländern. Ebenso ist der wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Integration innerhalb der Europäischen Union im Erweiterungsprozess Rechnung zu tragen. Die Verbesserung der Widerstandskraft der Erweiterungsländer gegenüber Krisen ist im gemeinsamen Interesse. Der Erweiterungsprozess kann hierzu einen großen Beitrag leisten. Eine erweiterte Europäische Union wird besser aufgestellt sein, um den anstehenden Herausforderungen zu begegnen. Meine Damen und Herren angesichts der Folgen von Krieg und Teilung haben wir eine gemeinsame Interessenlage. Herr Präsident, meine Damen und Herren, Europa ist in großen Schwierigkeiten. Eine jahrelange Politik wurde durch die zusätzlichen Belastungen der Finanzkrise untragbar. Die Folgen sind Zweifel an der Bonität einiger Staaten und in das Vertrauen, in die Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit des vereinten Europas. Die Lage verlangt insbesondere Ernsthaftigkeit und Verantwortung bei der Entscheidung über den künftigen Weg. Das Vertrauen der Bürger in das europäische Projekt ist in Mitleidenschaft gezogen. In letzter Zeit werden deutsche Interessen und europäische Interessen einander gegenübergestellt. Es wird unterstellt, dass diese Interessen zwei verschiedene oder gegensätzliche Standpunkte sind. Der zentrale Punkt bei allen Diskussionen ist, dass alle 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleichberechtigt sind und ihre Interessen ausgleichen. Mit tragfähigen Kompromissen sichert sich die Bundesrepublik Deutschland in der Mitte des Kontinents das Vertrauen und die Freundschaft seiner vielen Nachbarstaaten und der europäischen Partner. Als die Römischen Verträge 1957 unterzeichnet wurden, lebten 3 Milliarden Menschen auf der Erde. In diesem Jahr hat die Weltbevölkerung die Grenze von 7 Milliarden Menschen überschritten. In der Bundesrepublik Deutschland nimmt die Bevölkerung ab. Die Gewichte der Nationalstaaten nehmen in der globalisierten Welt ab. Kein Land der Welt, auch nicht die Bundesrepublik Deutschland, hat allein die Macht, auf zentral wichtige Entscheidungen in Politik und Wirtschaft einzuwirken. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Volkswirtschaften gemeinsame Regeln haben. Wir müssen aus eigenem Interesse die Globalisierung mitgestalten. Für mich sind dabei die freie Persönlichkeit, die Achtung der Menschenrechte und der freie Handel von besonderer Bedeutung. Alle Europäer gemeinsam haben die Chance, im gegenseitigen Zusammenwirken Einfluss auf die Welt auszuüben. Meine Damen und Herren, das europäische Projekt bleibt das Fundament deutscher Außenpolitik. Es ist in einer Phase ungewöhnlich ernster Herausforderungen und verlangt nach besonderem Verantwortungsbewusstsein. Die Bundesrepublik Deutschland hat dabei wegen ihrer Vergangenheit eine besondere Verantwortung. Wir haben in den letzten Monaten viel erreicht, um deutsche ordnungspolitische Grundsätze in der Eurozone zu verankern. Dies wird zusammen mit den notwendigen Änderungen der Europäischen Verträge den Weg in eine Stabilitätsunion bereiten. In dieser Stabilitätsunion werden die Haushaltsdisziplin und die Wettbewerbsfähigkeit einen höheren Stellenwert bekommen als bisher. Die gemeinsame Währung verlangt das gemeinsame Handeln auch in der Wirtschaftspolitik. Eine solide Finanzpolitik ist nicht nur allein im deutschen Interesse. Reformschritte in vielen Mitgliedstaaten der Eurozone verlangen, dass auch in anderen Ländern eine Lösung angestrebt wird. Es wird jedoch Jahre dauern, bis sich Europa konsolidiert und eine gemeinsame Wettbewerbsfähigkeit erreicht hat. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass die Bundesrepublik Deutschland diesen Weg gemeinsam mit Frankreich gehen muss. Darüber hinaus ist es wichtig, dass wir Polen einbeziehen, wenn wir über eine Zusammenarbeit mit den Staaten der Eurozone sprechen. Das Europa von morgen braucht im deutschen Interesse Frankreich und Polen als Partner. Das Vertrauen unserer Partner in die Bundesrepublik Deutschland und das Vertrauen der Bundesrepublik Deutschland in Europa sind untrennbar miteinander verbunden. Wir dürfen Europa nicht zu einer Misstrauensgesellschaft werden lassen. Meine Damen und Herren, entscheidend ist der politische Wille, dieses Projekt zum Erfolg zu führen. Wir müssen zu einer Stabilitätsunion kommen und wir brauchen in Europa eine neue Diskussion. Über die Zukunft der Europäischen Union. Es geht um eine europäische Verfassung die die institutionellen Voraussetzungen für die fortschreitende Integration in der Wirtschafts- und Finanzpolitik unter der Kontrolle des Europäischen Parlaments schafft. Angesichts der Krise hilft eine zwischenstaatliche Verabredung. Unser Ziel ist eine Europäische Union mit offenen Grenzen, kultureller Anziehungskraft und politischer Ausstrahlung. Seit Beginn der Krise tritt die Bundesrepublik dafür ein, die Probleme zu bewältigen und gleichzeitig Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen. Dabei geht es vor allen Dingen um eine Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion. Die Bundesregierung hat immer und immer wieder deutlich gemacht, dass die Schuldenkrise nicht über Nacht zu lösen ist. Die Bewältigung der Schuldenkrise ist ein langwieriger Prozess der Jahre dauern wird. In meiner letzten Regierungserklärung habe ich dargestellt, wie die Lage vor dem nächsten Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs ist. Einerseits haben wir es mit der schwersten Krise in der Europäischen Union zu tun. Andererseits ist festzustellen, dass wir außerordentlich viel geschafft haben. Ich bin davon überzeugt, dass in der Europäischen Union Einigkeit darüber besteht, die Ursachen der Krise zu bekämpfen. An dieser Stelle müssen wir uns vor Augen führen, welche Aufgaben die Menschen vor allem in Spanien und Griechenland zu lösen haben. Ich wiederhole meinen Standpunkt, dass wir bei der Krisenbewältigung weit vorangenommen sind. In den letzten Monaten ist sehr viel hinsichtlich einer europäischen Stabilitätsunion und Durchgriffsrechten eingeleitet worden. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass sich glaubwürdige Durchgriffsrechte von einer gemeinsamen europäischen Kontrolle über Haushalte unterscheiden. Es ist auch nach unserem Grundgesetz gar nicht möglich, die Haushalte über eine europäische Institution zu kontrollieren. Zusammenfassend sind in letzter Zeit positiven Entwicklungen vor allen Dingen auf die europäischen Gerichte und die nationalen Notenbanken sowie die Europäische Zentralbank zurückzuführen. Diese Institutionen genießen nach wie vor eine hohe Glaubwürdigkeit. Für unsere Demokratie ist es wichtig, diese Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Institutionen zu wahren. Deshalb werde ich in Zukunft nicht kommentieren, was europäische Gerichte und nationale Notenbanken zu tun haben. Lassen Sie mich allerdings darauf hinweisen, dass die Aufgaben der Europäischen Zentralbank nicht mit den Aufgaben der Zentralbank der Vereinigten Staaten von Amerika zu vergleichen sind. Meine Damen und Herren, wir müssen feststellen, dass durch die Schuldenkrise das Vertrauen in die Politik vielfach verspielt wurde. Es begann mit der Gründung der Wirtschafts- und Währungsunion selbst, als Konstruktionsfehler zugelassen wurden. Darüber hinaus wurden seit Gründung der Wirtschafts- und Währungsunion die Prinzipien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes aufgeweicht. Heutzutage wollen wir damit in Europa aufhören. Es geht bei der dauerhaften Überwindung der Schuldenkrise nicht nur darum, dass die Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit in die Politik wiederhergestellt werden muss. Es geht auch darum, nicht nur über Einzelheiten zu diskutieren. In erster Linie sind beschlossenen Maßnahmen einzuleiten und umzusetzen. In zweiter Linie müssen durch Veränderungen der Grundlagen der Zusammenarbeit starke Durchgriffsrechte geschaffen werden. Die Einhaltung bereits beschlossener Maßnahmen gilt insbesondere für die bisherigen Gipfelbeschlüsse. Im Deutschen Bundestag wollen wir eine große Mehrheit für eine tragfähige Lösung der Schuldenkrise finden. Vor allen Dingen soll verhindert werden, dass die Schuldenkrise auf andere europäische Länder übergreift. Die Finanzminister der Europäischen Union konnten in den letzten Monaten wichtige Fortschritte erreichen. Die Regierung in Griechenland hat sich parteiübergreifend dazu verpflichtet, das vereinbarte Reformprogramm umzusetzen. Ich möchte daran erinnern, dass wir in der letzten Woche ein neues Griechenland-Programm erörtert haben.